Geschichten

Sind Sie bereit für Geschichten?
Wenn die Wirklichkeit Geschichten schreibt, die uns berühren und verzaubern, dann werden wir Teil dieser Wirklichkeit. Tauchen Sie ein in Geschichten rund um die ‹Krone›. Auf diesem Weg erfahren Sie, was unser Gasthaus zu etwas ganz Besonderem macht. Und Sie selbst schreiben mit Ihrem Besuch bei uns diese Geschichte weiter.

 

Damals wurde die ‹Krone› erbaut, allerdings noch als ‹Adler›. Es ist der Sohn von Pfarrer Johannes Nänni, der von 1652 bis 1670 in Speicher als Seelsorger tätig war, welcher als Bauherr auftritt, wie sich Bartholome Tanner in seiner 1853 erschienenen Chronik der Gemeinde Speicher festlegt. Dieser Pfarrerssohn ist Bäcker, was des ‹Adlers› Doppelnutzung als Wirtshaus und als Bäckerei erklärt.

Erste Erweiterung 1756

Fest steht, dass 1756 eine Erweiterung der ‹Krone› erfolgt. Ein sogenannter Anstoss kommt dazu; eine Quadermauer und insbesondere ein Turm auf der Rückseite mit einer achtseitigen Haube verändern das Aussehen. Sicher bis zu diesem Ausbau reiht sich das Gebäude als Wirtshaus und Bäckerei zum Adler bei den Speicherer Gaststätten ein; möglicherweise trägt es diesen Namen aber noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mehr als 80 Jahre fügt sich das Haus in dieser Bauweise ins Dorfbild. Dann erfolgt zwischen 1828 und 1830 unter dem Arzt Dr. Johann Jakob Walser als Besitzer eine grundlegende Umgestaltung zu jenem Walmdachhaus, als das wir es bis in die Gegenwart kennen. Ob erst diese bauliche Umgestaltung mit der Änderung des Namens von ‹Adler› zu ‹Krone› verbunden ist oder ob sie bereits 1756 erfolgte, ist offen. Zu den bisherigen drei Geschossen kommt ein zusätzliches. Und die gegen Süden gerichtete Fassade erfährt eine im Zeitstil gehaltene Gestaltung mit Pilastern und einem Fassadentäfer. Über dem Eingang mit den beiden klassizistischen Türflügeln aus Nussbaumholz lässt Bauherr Walser sein Wappen anbringen. Zeugnis von Walsers Vorliebe für Kunsthandwerk gibt im Inneren das schmucke, mit Kreuzbogen versehene Treppengeländer aus Nussbaumholz.

Domizil für das Postbureau

Über zwei Dutzend Wirtschaften und Gasthäuser stehen in Speicher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gästen für Speis und Trank offen. Die ‹Krone›, die gewiss zu den nobleren gehört, sucht man eine Zeitlang aber nicht nur des Einkehrens wegen auf. Von 1846 bis 1866 ist auch die Post in diesem Gebäude untergebracht. Nicht nur der Post wegen erhält die ‹Krone› eine für das Dorf zentrale Funktion. Auch die 1820 von Landsfähnrich Johann Heinrich Tobler, dem Komponisten des Ausserrhoder Landsgemeindeliedes, gegründete Sonnengesellschaft ist mit ihr eng verbunden. Die im kulturellen Bereich aktive Institution hält zwischen 1841 und 1843 und dann wieder ab 1855 über eine Zeitdauer von rund hundert Jahren ihre monatlichen Versammlungen in der ‹Krone› ab.

Periodische Veränderungen

In ihrem Wesen prägt nun die ‹Krone› das Dorfbild über all die Jahrzehnte hinweg mehr oder weniger so, wie sie sich nach ihrer Umgestaltung von 1828/1830 präsentiert. Verschiedentlich werden Anpassungen vorgenommen, damit auch den steigenden Anforderungen seitens der Gäste Rechnung getragen werden kann. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfährt der gegen Südosten gerichtete Raum im 1. Obergeschoss dank des Einbaus eines Fischgratparketts, eines maserierten Wandtäfers und einer auf Putz maserierten und marmorierten Ofenwand eine präsentablere Gestaltung. In der Mitte des 20. Jahrhunderts hat man die Fassade des Erdgeschosses umgestaltet und gereinigt. 1995 schliesslich erfolgt eine Renovation, bei der die ursprüngliche Gestaltung der Erdgeschossfassade wieder hergestellt wird und ein rückseitiger Abortanbau über vier Geschosse dazukommt.

Nachdem die Familie Oertle ab 1852 für fast hundert Jahre für das Gedeihen des stattlichen Gasthauses die Verantwortung trägt, folgen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts bewegtere Jahre. Im Juli 1947 hat das Grundbuchamt Speicher eine Handänderung einzutragen, die von einer ganzen Reihe von weiteren gefolgt wird. In mal kürzeren, mal längeren zeitlichen Abständen wechselt die Besitzerschaft. Im Dezember 1993 treten mit Kurt und Elsbeth Egli-Hauri die letzten Eigentümer auf den Plan, bevor das Gasthaus schliesslich auf den 1. April 2014 an die Hotel Krone Speicher AG verkauft und damit eine vollends neue Ära eingeläutet wird. Das gilt nicht nur für das ‹Kronen›-Hauptgebäude. Auch die einstige Remise hinter dem Haus erfährt eine neue Ausrichtung, indem sie mit der nötigen Infrastruktur für Tagungen und Seminare ausgestattet wird.

 

«Alles Leben strömt aus dir»

Mit dem kompositorischen Part des Landsgemeindeliedes «Ode an Gott» hat sich Johann Heinrich Tobler seinen festen Platz im Bewusstsein der Ausserrhoder Öffentlichkeit gesichert. Mit einem Denkmal auf Vögelinsegg erwies ihm diese denn auch die Reverenz. Der 1803 zum Landschreiber gewählte Tobler sass ein Jahr lang auch in der Ausserrhoder Regierung. Er war Gründer der Sonnengesellschaft in Speicher und hatte massgeblichen Anteil am Entstehen der heutigen evangelischen Kirche.

Autodidakt mit viel Talent

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Ausserrhodens Männer bis 1989, als sie dem Frauenstimmrecht nach mehreren Anläufen endlich ihren Segen erteilten, ein Landsgemeindelied anstimmten, dessen Text von einer deutschen Frau stammt. Die Dichterin Karoline Rudolphi veröffentlichte 1787 ein Gedichtbändchen, in dem sich die neunstrophige «Ode an Gott » befindet. Die in seinem Empfinden besten vier Strophen unterlegte Johann Heinrich Tobler mit jener höchst eingängigen Melodie, die ab 1877 als offizielles Ausserrhoder Landsgemeindelied gesungen wurde – von 1990 bis zur Abschaffung der Landsgemeinde 1997 nun auch von den Frauen. In Toblers Schaffen stellt die «Ode an Got t» mit dem textlichen Auftakt «Alles Leben strömt aus Dir…» das bedeutendste Werk dar. Darüber hinaus komponierte er eine grosse Zahl von Liedern, die teilweise noch immer zum Stammrepertoire von Chören gehören. Eine systematische musikalische Ausbildung hat Tobler nie genossen. Sein kompositorisches Naturtalent liess ihn Melodien erfinden und zu Papier bringen, die in ihrer Hörgefälligkeit bis auf den heutigen Tag anzusprechen vermögen. Ob seines musikalischen Bekanntheitsgrades geht leicht vergessen, dass sich der 1777 in Trogen geborene Johann Heinrich Tobler auch auf anderen Gebieten Verdienste erwarb. Er, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, erlernte den Beruf des Modellstechers und übte dieses Handwerk ab 1792 in Speicher aus. Von 1798 bis 1803, zur Zeit der Helvetik, hatte er das Sekretärsamt des Distriktgerichts Teufen inne. 1803 wurde er Ausserrhoder Landschreiber, ehe er 1816 zum Landsfähnrich und damit zum Regierungsmitglied gewählt wurde. Er blieb es allerdings nur ein Jahr lang. Seine Spuren in Speicher hat er einerseits mit der Gründung der Sonnengesellschaft, andererseits mit seiner massgeblichen Einflussnahme beim Bau der 1810 eingeweihten evangelischen Kirche hinterlassen. Zur Ausführung gelangte ein Bau nach Plänen von Johann Heinrich Tobler. Ab 1803 leitete er während 22 Jahren auch die Geschicke des Musikvereins Speicher, der damals als Instrumental-Gesellschaft zum Ochsen die Bevölkerung erfreute. Dem Andenken Toblers gilt das 1938 eingeweihte und von Bildhauer Wilhelm Meier geschaffene Denkmal auf der Vögelinsegg.

 

Der Mann der blumigen Phantasie

Er führte ein Leben als Aussenseiter, gilt indes als wichtiger Vertreter der Art brut: Hans Krüsi, 1920 in Zürich geboren, 1995 in St. Gallen gestorben. Einige Jahre seines Lebens verbrachte der Künstler, der meist einen mit Blumen geschmückten Hut trug, in seiner Heimatgemeinde Speicher, wo er auch zur letzten Ruhe gebettet wurde. Der St. Galler Plastiker Max Oertli schuf ihm ein eigenwilliges Grabmal.

Vom Leben hart angepackt

Es waren keineswegs die besten Umstände, die Hans Krüsis Start ins irdische Dasein kennzeichneten. Als uneheliches Kind der Emma Krüsi kam er im Alter von zwei Jahren in Speicher in die Obhut von Pflegeeltern, ehe man ihn als Zehnjährigen im Waisenhaus einquartierte. Der Schule mehr schlecht als recht «entronnen», schlug er sich da und dort in der Schweiz als Knecht und Gärtnergehilfe durch. 1947 liess sich Hans Krüsi schliesslich in St. Gallen nieder. Es kam die lange Jahre währende Zeit, in der er täglich frühmorgens mit der Bahn nach Zürich fuhr und an der Zürcher Bahnhofstrasse Blumen verkaufte. Seine mangelbehaftete körperliche Verfassung und die doch kritischen Lebensumstände nagten stark an seiner Gesundheit und nötigten ihn 1968 zu einem halbjährigen Kuraufenthalt auf dem Walenstadtberg. Wofür Hans Krüsi vor allem bekannt wurde, nahm seinen Anfang 1975: Er begann zu malen. Was alles als Farbträger dienen konnte – Packpapier, Servietten oder Karton –, nahm unter seinen Pinselstrichen andere Gestalt an. Tiere als Motiv hatten es ihm besonders angetan, und unter diesen wiederum Kühe – wohl eine «Reverenz» an seine Zeit als Knecht. Die Leute nahmen immer stärker zur Kenntnis, was Hans Krüsi da, völlig unverblendet und vielfach auch belächelt, an Phantasie in Bilder ganz eigener Prägung umsetzte. Er fand auch immer mehr Käufer seiner unkonventionellen Werke. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich schliesslich auch der Kunsthandel seiner annahm. Ob alle, die sich ihm andienten, es auch in lauterer Absicht taten oder aber den Blick eigennützig mehr auf potenzielle Erfolgsaussichten richteten, die sie sich mit dieser Malerei versprachen, bleibe dahingestellt. Jedenfalls veränderte sich Hans Krüsis Existenz in wirtschaftlicher Hinsicht nachhaltig hin zum Positiven, so dass er nicht mehr auf den Verdienst aus dem Blumenverkauf angewiesen war. Seine Werke fanden den Weg in Galerien und Kunstausstellungen – die Kunstszene hatte ihn vollends entdeckt. Das fand seinen Niederschlag auch in Publikationen und in einem Film. Ein Lungenemphysem riss Hans Krüsi im September 1995 aus seinem bewegten Leben. Hinterlassen hat er ein umfangreiches Werk. Der Kanton Appenzell Ausserrhoden erwarb 2012 eine namhafte Sammlung seiner Bilder.

Aus den USA nach Speicher zurück

Eng mit Speicher verknüpft ist das Brüderpaar Howard Eugster-Züst und Arthur Eugster. Beide wurden als Söhne einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in New York geboren – Howard 1861, Arthur 1863 – und kamen nach dem Tod der Mutter Anna Elisabeth zusammen mit ihrem Vater Jakob 1865 in die Schweiz zurück. Ein Jahr nach der Rückkehr starb auch der Vater, worauf die beiden Brüder im Haus eines Onkels in Speicher Aufnahme fanden.

Zwei Brüder – zwei Wege

Obwohl sie durch den frühen Tod ihrer Eltern Vollwaisen geworden waren, blieb die Speicherer Jugendzeit von Howard und Arthur Eugster keineswegs freudlos. Onkel Arnold Eugster, ein späterer Gemeindehauptmann, und dessen Schwester Elise Eugster bemühten sich nach Kräften, ihren Neffen verständnis- und liebevolle Ersatzeltern zu sein. Nach dem Besuch der Grundschulen wechselten die beiden Brüder an ein Freies Gymnasium in Bern, das nach seinem Gründer als Lerberschule benannt war. In dieser Gymnasialzeit verstarb auch ihr Onkel. Nach einem in Neuenburg, Basel und Berlin absolvierten Theologiestudium wurden Howard und Arthur Eugster 1887 in Speicher als Pfarrer ordiniert. Howard wurde Pfarrer in Hundwil, Arthur in Reute und danach in Trogen. In ihren politischen Ansichten nahmen die Brüder unterschiedliche Positionen ein. Howard neigte dem linken Gedankengut zu, Arthur fand in bürgerlichen Ideen seine politische Heimat. Das ausgeprägte Interesse an Politik liess beider Lebensweg in politische Karrieren münden, die zunächst noch parallel zu ihren pfarramtlichen Tätigkeiten verliefen. Howard Eugster, der sich dank seines Engagements zugunsten der Textilarbeiter als «Weberpfarrer» einen Namen gemacht hatte, wurde 1900 in den Kantonsrat gewählt und wirkte von 1913 bis 1931 als erster SP-Regierungsrat. Seine 1908 erfolgte Wahl in den Nationalrat nötigte ihn, das Pfarramt aufzugeben. Arthur Eugsters politische Laufbahn begann 1895 mit der Wahl in den Kantonsrat. Schon fünf Jahre später berief ihn die Landsgemeinde in den Regierungsrat und später auch ins Landammannamt. Er war Mitbegründer der kantonalen FDP, die er auch präsidierte. 1902 schickten ihn die Ausserrhoder nach Bern in den Nationalrat. Dass ihm sechs Jahre später sein älterer Bruder in die grosse Kammer folgte, darf gewiss als Eigentümlichkeit eingestuft werden. 1915 wurde Arthur Eugster dank der Wahl zum Nationalratspräsidenten höchster Schweizer. 1922 starb er; sein Bruder Howard folgte ihm 1932 im Tod nach. Die beiden ungleichen Brüder verband zeitlebens ein enges Band der Liebe, «das auch später, als im öffentlichen Wirken der beiden sich grundsätzliche Verschiedenheit einstellte, nie die geringste Trübung erfuhr», wie Arnold Eugster in der «Geschichte der Gemeinde Speicher» festgehalten hat.

Mädchen für alles

Die «Krone» sei damals günstig zu kaufen gewesen, sagt Silvia Schittli-Berther, die Tochter des neuen Eigners. Anton Berther wirtet nicht selber. Er setzt seinen Sohn Gottfried und dessen Gattin Ursula als Wirtepaar ein. Zur tatkräftigen Mithilfe kommt Gottfrieds Schwester Silvia mit nach Speicher. «Ich wollte eigentlich Kinderschwester werden, doch hat der Vater verfügt, dass ich meinem Bruder in der ‹Krone› zur Hand gehen sollte, wo ich dann gewissermassen Mädchen für alles wurde», blickt Silvia Schittli zurück. Ihre Arbeitskraft ist umso mehr gefragt, als Gottfried Berther mit gerade mal 23 Jahren stirbt. Seine Gattin erleidet vor der Geburt des ersten Kindes eine Nierenkolik und verliert das Kind.

«Gmögige» Appenzeller

Was für prägende Erinnerungen verbindet Silvia Schittli mit der «Krone», die trotz der häufigen Besitzerwechsel nach wie vor eine ausgezeichnet frequentierte Gaststätte ist? Aus dem Aargau ins Appenzellerland heraufgekommen, muss sich die junge Frau erst einmal an die Menschen hier oben gewöhnen. Doch allzu lange braucht sie dazu nicht. «Mir sind die Appenzeller schnell als angenehm im Umgang vorgekommen. Jedenfalls habe ich sie gegenüber den Aargauern als ‹gmögiger› wahrgenommen», windet sie ihrer für sie damals neuen Umgebung in der Rückblende ein Kränzchen. In den Zimmern habe sich oft Militär einquartiert. Und für die Sonnengesellschaft mit ihren honorablen Mitgliedern sei die «Krone» wie eh und je das Stammlokal gewesen. Zu der damals noch existierenden Schützengartengesellschaft, für welche die «Linde» der Versammlungsort war, sei die Sonnengesellschaft mitunter in Konkurrenz gestanden, wenn sich denn nicht gar Konfliktsituationen mit politischem Hintergrund ergeben hätten.

Beliebter Treffpunkt

«Ein beliebter Treffpunkt war die ‹Krone› für die Männerriege, der auch mein Vater angehörte. Häufig kamen die Männerriegler zum Jassen zu uns. Aber auch andere Jassrunden fanden sich hier regelmässig zusammen. Und dann beherbergten wir ja stets auch Kurgäste, die sich trotz des fehlenden fliessenden Wassers in den Zimmern nicht davon abhalten liessen, zu einer Zeit ihre Ferien hier zu verbringen, da Speicher noch mit dem Prädikat ‹Luftkurort› Propaganda machte», kramt Silvia Schittli in ihrem Erinnerungsschatz. Sie berichtet vom Brunnen ennet der Strasse, in dem Fische gehalten werden, so dass die Speisekarte immer wieder mit Fischgerichten bereichert wird. Und vor sich sieht sie auf der Westseite der «Krone» die noch immer existierende Brückenwaage, die bedient sein will. Aus dem einstigen Rossstall hinter dem Gasthaus, der zu Arnold Oertles Zeiten von Wichtigkeit war, wird eine Garage. Regelmässiger Gast in der «Krone» ist ein gewisser Ueli Schittli. Ihm hat es das arbeitsame Mädchen für alles aus dem Aargau besonders angetan – was auf Gegenseitigkeit beruht. So wird aus Silvia Berther schliesslich Silvia Schittli-Berther. Das Paar, dem drei Kinder geschenkt sind, zieht ins Haus neben der «Krone», wo es bis auf den heutigen Tag lebt.Eng mit Speicher verknüpft ist das Brüderpaar Howard Eugster-Züst und Arthur Eugster. Beide wurden als Söhne einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in New York geboren – Howard 1861, Arthur 1863 – und kamen nach dem Tod der Mutter Anna Elisabeth zusammen mit ihrem Vater Jakob 1865 in die Schweiz zurück. Ein Jahr nach der Rückkehr starb auch der Vater, worauf die beiden Brüder im Haus eines Onkels in Speicher Aufnahme fanden.

Mittagessen für Fr. 3.40

Ida Oertle ist aber nicht «nur» Wirtin. Sie steht auch am Herd der «Krone», und das jeden Tag. Einen Wirtesonntag kennen Oertles nicht, und dem Personal ist der Begriff «Zimmerstunde» ein Fremdwort. Noch immer hat Dorli Morf jene Zeit präsent, da die Gäste ein Mittagessen für drei Franken und vierzig Rappen aufgetischt bekamen. «Der Mutter war es fast ‹gschmuech›, als sie die Preise erhöhen und zwanzig Rappen mehr heuschen musste», weiss sie noch, als wäre es gestern erst gewesen. Nun, dem Zulauf zur «Krone» können Preisaufschläge nichts anhaben. Viele Kurgäste beziehen dort Quartier oder kehren einfach ein, wenn sie für Konsultationen bei einem Natur- oder bei einem Zahnarzt nach Speicher kommen. Zu ihnen zählt auch Herbert von Moos, der den Kanton Bern von Ende 1939 bis in den Frühling 1941 im Nationalrat vertritt und in Speicher den Fähigkeiten eines Naturarztes vertraut. «Wir mussten bei der Ankunft jeweils seine Koffer am Bahnhof abholen und bei der Abreise wieder hintransportieren. Als Lohn erhielten wir jedes Mal einen Fünfziger», rapportiert Dorli Morf über die Zunahme des Taschengeldes in ihrer Jugendzeit. Besonders gute Erinnerungen hat sie an einen Kurgast, der seine Sympathie ihr gegenüber als selbsternannter Götti zum Ausdruck brachte und sie bei jedem Besuch reichlich beschenkte.

Ins Dorf der Jugend zurückgekehrt

Für die Sonnengesellschaft ist die «Krone» nach wie vor das Stammhaus, wo sie ihre Versammlungen und Zusammenkünfte durchführt.

 

Heimat für die Sonnengesellschaft

1820 gründete Landsfähnrich Johann Heinrich Tobler, der Komponist des Ausserrhoder Landsgemeindeliedes, die Sonnengesellschaft Speicher. Sie trat zunächst unter dem Namen «Gesellschaftlicher Verein zur Sonne» an die Öffentlichkeit. Über viele Jahre hinweg war die «Krone» das Stammlokal der heute ausschliesslich kulturell ausgerichteten Gesellschaft. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens war die Sonnengesellschaft auch im sozialen und im politischen Bereich aktiv.

Lesegesellschaften – noch immer von Bedeutung

Von den zwanzig Gemeinden Ausserrhodens verfügen nur deren fünf über keine Lesegesellschaft. Andererseits gibt es Gemeinden, in denen gleich mehrere dieser speziellen Vereinigungen aktiv sind. Im Zeitalter der totalen Kommunikation über jedwede Kanäle ist einer der ursprünglichen Zwecke der Lesegesellschaften natürlich längst verschwunden: Lesemappen zirkulieren unter den Mitgliedern keine mehr. Aber ansonsten haben die stets hochgehaltenen Ideale die Zeit überdauert.
Namentlich im Appenzeller Vorderland nehmen die Lesegesellschaften noch immer eine nicht unwesentliche Rolle ein, wenn es darum geht, in der Kommunalpolitik Akzente zu setzen. So pflegen beispielsweise allein in Rehetobel vier Lesegesellschaften ein mehr oder minder reges Vereinsleben, in Wolfhalden und in Reute sind es drei. Sie führen Veranstaltungen mit politischer Ausrichtung durch, lassen sich zu Wahl- und Abstimmungsgeschäften vernehmen und geben auch Parolen heraus. Von den fünf Gemeinden des Appenzeller Mittellandes verfügt jede über mindestens eine Lesegesellschaft. In Teufen und in Bühler treten sie unter diesem Namen auf. In Gais hat die Kulturbühne die Nachfolge der Neuen Lesegesellschaft Gais angetreten. Letztere wiederum wurde im Jahr 2000 neu gegründet, nachdem 1950 eine bestehende Lesegesellschaft ihr Wirken eingestellt hatte. Speicher hat seine Sonnengesellschaft, Trogen seine Kronengesellschaft. Alle diese Mittelländer Lesegesellschaften haben sich heute ganz der Aktivierung des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens verschrieben. Aber in Trogen existieren mit den Lesegesellschaften Bach und Eugst noch zwei Zusammenschlüsse, die auch die Politik nicht aussen vor lassen. Im Appenzeller Hinterland warten Herisau und Schwellbrunn mit je drei Lesegesellschaften auf, Stein mit einer. Wenn wir den Blick noch etwas auf die Sonnengesellschaft Speicher richten, so sei nicht unerwähnt, dass sie als die Mutter aller Lesegesellschaften gilt. Sie hatte zwei Vorgängerinnen, die allerdings nicht lange bestanden. Auf Initiative der Sonnengesellschaft, die in ihren Anfängen über den kulturellen Bereich hinaus sehr aktiv war, wurde 1823 sogar eine unterdessen längst verschwundene Privat-Brandversicherungsanstalt gegründet.

Aufstrebender Freiheitswille

Das Joch der äbtischen Herrschaft abschütteln und Souveränität erlangen – dieses Bestreben der Appenzeller mündete in deren Freiheitskriege, die 1403 in der Schlacht bei Vögelinsegg und zwei Jahre später in jener am Stoss den Weg in die Unabhängigkeit ebneten und der Herrschaft des Klosters St. Gallen über das Appenzellerland, zu jener Zeit verkörpert durch den bei seinen Untertanen äusserst unbeliebten Abt Kuno von Stoffeln, ein Ende zu setzen begannen.

Sieg mit auswärtiger Hilfe

Das Verhältnis zwischen dem Abt und dem damals noch ungeteilten Land Appenzell war ausgangs des 14. und eingangs des 15. Jahrhunderts durch verschiedene Vorkommnisse derart belastet, dass eine kriegerische Auseinandersetzung unausweichlich wurde. Die Appenzeller fanden mit den Schwyzern Verbündete, welche durch die Entsendung einer kleinen Streitmacht die Kampfkraft der Appenzeller massgeblich erhöhten. Am 15. Mai 1403 zog ein mehrere tausend Mann zählendes und durch Zuzug aus Bodenseestädten verstärktes Heer des Abtes Richtung Speicher, wohl in der Absicht, später nach Appenzell vorzudringen. In der Gegend des Hofs Loch – ungefähr dort, wo sich heute die Station Rank der Appenzeller Bahnen befindet – hatten sich die durch die Schwyzer Abordnung verstärkten Appenzeller hinter einer Letzi verschanzt. In der Überlieferung ist von etwa vier- bis sechshundert Leuten die Rede, die auf das äbtische Heer warteten. Dessen Vorhut begann, die Letzi zu durchbrechen – und wurde durch einen Angriff der Verteidiger dermassen überrascht, dass sie ihre Waffen gar nicht erst zur Geltung bringen konnte. «Sobald nun die erste Verwirrung in die aufgelaufene, auf schmalem Raum zusammengedrängte Kolonne gebracht war, wurde diese von der Höhe mit Steinen beworfen… Gleich darauf folgte der Hauptangriff in die Flanke des Gegners. Dieser Angriff muss vor allem die Reiterei getroffen haben, die völlig eingezwängt im Hohlweg den Hieben der mit Geschrei Heranstürmenden fast wehrlos preisgegeben war.» So schildert Walter Schläpfer in der «Appenzeller Geschichte» den Schlachtverlauf. Das äbtische Heer trat die Flucht an und wurde noch bis vor die Tore der Stadt St. Gallen verfolgt.
Den Helden der Schlacht ist 500 Jahre nach dem Sieg ein Denkmal gesetzt worden. Es steht auf der Vögelinsegg-Krete, rund einen Kilometer südöstlich des eigentlichen Schlachtortes. Dem mit der Ausführung betrauten Herisauer Bildhauer Otto Steiger wurde die Verpflichtung auferlegt: «Der Typ des Kriegers soll ächter Appenzeller, die Kleidung der damaligen Zeit möglichst getreu nachgebildet sein.» Diesen Vorgaben entspricht das 1903 eingeweihte Denkmal. Ein im Zuge eines heftigen Gewitters in den 1980er-Jahren herunterstürzender Ast köpfte den stämmigen Mann, doch wurde der Schaden umgehend behoben. Das Bild des Enthaupteten ging damals durch die gesamte Schweizer Presse.

An wichtiger Durchgangsstrasse

Zur Zeit ihres Entstehens Ende des 17. Jahrhunderts hatte die «Krone» ihren Platz an einer wichtigen Durchgangsstrasse. Die Strecke von St. Gallen über Speicher und Trogen nach Altstätten, demnach also die Route über den Ruppen, war lange Zeit die einzige Verbindung zwischen der Gallusstadt und dem Rheintal – und auf dem Ruppen-Abschnitt erst noch eine nur unter viel Mühen befahrbare. Das änderte sich, als Ingenieur Alois von Negrelli auf den Plan trat.

Vom Ruppen an den Suezkanal

Der 1799 im Trentino geborene Alois von Negrelli absolvierte an den Universitäten von Padua und Innsbruck ein Ingenieursstudium. Schon mit 20 Jahren stand er im staatlichen Baudienst des Landes Tirol, ab 1826 in ähnlicher Funktion in Vorarlberg. Hier führte er Verhandlungen bezüglich der Rheinregulierung. Ab 1832 war Negrelli im Kanton St. Gallen als Wasserbau- und Strasseninspektor tätig. In dieser Eigenschaft bekam er Kenntnis von Plänen, die einen Ausbau der Ruppenstrasse zum Ziel hatten. Form angenommen hatten sie erstmals zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als der Ausserrhoder Regierungsrat eine Verbesserung der misslichen Wegverhältnisse anregte. Doch bald einmal wurde das Vorhaben wieder schubladisiert. Es bedurfte eines neuerlichen Anstosses, der diesmal von den Gemeinden Altstätten und Trogen ausging und bald auch die Gemeinde Speicher mit ins Boot nahm. Alois von Negrelli erhielt den Auftrag, ein Projekt auszuarbeiten. Er begann im Oktober 1833 mit den entsprechenden Arbeiten, die er schon im darauffolgenden Frühjahr abschliessen konnte. Gemäss seinen Berechnungen wäre ein Ausbau mit Kosten in der Höhe von 50’000 Gulden verbunden gewesen, eine Summe, welche die finanzielle Potenz der drei interessierten Gemeinden überstieg. So erging denn ein Beitragsgesuch an den St. Galler Regierungsrat, das aber abschlägig beantwortet wurde. Man machte sich auch in St. Gallen Sorgen wegen der aufzubringenden Mittel. In einer Einsendung in der «St. Galler Zeitung» fasste man die Befürchtung in drastische Worte: «Die Ruppenstrasse bahnt den Weg zum Untergang der Stadt-Sanktgallischen Wohlhabenheit.» In dieser scheinbar ausweglosen Situation gründeten die Gemeinden eine Aktiengesellschaft und gaben 500 Aktien zu je 100 Gulden heraus. Dergestalt konnte die Finanzierung gesichert werden. 1837 setzten die Bauarbeiten ein, wenn auch aufgrund eines durch Ingenieur Naeff revidierten Projekts. Im September 1838 erfolgte die Kollaudation der neuen Strasse. Alois von Negrelli erlangte später kolossale Berühmtheit. Er baute in Zürich die Münsterbrücke über die Limmat und war massgeblich an der Planung des schweizerischen Eisenbahnnetzes beteiligt. Vor allem aber bringt man seinen Namen in Verbindung mit dem Suezkanal, der nach seinen Plänen gebaut wurde.

 

Sie sind hell, formschön, meist fein verziert und werden unter dem Begriff «Weissküferei» zusammengefasst. Die Rede ist von Gerätschaften für die Alp- und Milchwirtschaft, hergestellt aus Ahorn-, Arven- oder Fichtenholz. Wegen der restriktiv gewordenen Hygienevorschriften sind sie allerdings nicht mehr im täglichen Gebrauch. Im Appenzellerland üben noch ein paar Weissküfer, die auch andere Gegenstände fertigen, ihr kunstvolles Handwerk aus.

Ausgeprägter Sinn für das Schöne

Im Brockhaus sucht man vergeblich nach dem Begriff «Weissküferei». Daraus wird ersichtlich, dass es sich hierbei um ein sehr spezifisch schweizerisches Kunsthandwerk handeln muss. Entstanden in seiner heutigen Ausformung ist es aller Wahrscheinlichkeit nach zu Beginn des 19. Jahrhunderts, auch wenn der Name «Weissküferei» erstmals 1696 auftauchte. Den Bauern und Sennen war es offensichtlich darum zu tun, manche der täglich vorab für die Milchverwertung in Gebrauch genommenen Gegenstände etwas weniger schlicht als bis anhin erscheinen zu lassen. Sie beauftragten deshalb kunstsinnige Küfer und Drechsler, die aus hellem Holz der Fichte, der Arve und des Ahorns hergestellten Gerätschaften zu verzieren. Damit wurde auch ein gewisser Wohlstand der Bauern dokumentiert, wie das gleichfalls im Zusammenhang mit den Trachten zum Ausdruck kommt. Kennzeichnend für die Weissküferei sind Produkte, die durch Rundungen, gebogene oder geschweifte Formen auffallen. Eine fachmännische Beschreibung lautet folgendermassen: «Bei der Fertigung von Behältern schneiden Weissküfer die Hölzer zu speziell geformten Holzbrettern (Dauben) zu. Diese fügen sie aneinander und formen daraus rundes oder ovales Geschirr und Behältnisse. Zusammengehalten werden die Dauben von selbst angefertigten Holzreifen. Nachdem die Gegenstände roh gefertigt sind, beginnt von Hand die aufwendige Schnitzereiverzierung.»
Strenge Auflagen in hygienischer Hinsicht lassen den Gebrauch von weissgeküfertem Milchgeschirr heute eigentlich nicht mehr zu. Gleichwohl wird es aber bei traditionell gestalteten Alpauf- und -abfahrten noch immer auf dem Lediwagen mitgeführt. Aufgrund der veränderten Situation hat sich denn auch das Sortiment gewandelt, das heute in Weissküfereien entsteht. Es sind Gegenstände des «gehobenen Souvenirhandels», wie es der Gaiser Weissküfer Hans Mösli nennt, die nunmehr grossen Zuspruch finden. Bis Ende 2008 konnte der Beruf des Weissküfers in einer dreijährigen Lehre erlernt werden. Heute sind die Berufe Drechsler und Weissküfer im Lehrberuf Holzhandwerker zusammengefasst. Schweizweit existieren noch etwa achtzig traditionelle Betriebe.

Die Auferstehung eines alten Kunsthandwerks

Die «Krone» setzt auf Bewährtes und Neues. Das wird in unzähligen kleinen Details sichtbar. Zum Beispiel bei der Gestaltung unserer Hotelzimmer. Sie schlafen in einem Bett, das dank dem uralten Kunsthandwerk der Weissküferei einzigartig ist – getreu der jahrhundertelangen Geschichte der «Krone». Aber die gewählten Muster schlagen eine Brücke zur Neuzeit. Tradition trifft Innovation.